Ökologischer Meilenstein: Insekten als alternative Proteinquelle für nachhaltiges Tierfutter
Linzer VIVATIS-Gruppe beteiligt sich an Start-Up und investiert fünf Mio. Euro in die Produktion von Insektenproteinen
Die VIVATIS-Gruppe beteiligt sich mit 45 Prozent am Start-Up ECOFLY. Das Jung-Unternehmen mit Firmensitz im oberösterreichischen Antiesenhofen (Bezirk Ried im Innkreis) hat sich auf die Zucht und Mast von Insektenlarven spezialisiert, um daraus nachhaltiges Fisch- und Nutztierfutter herzustellen. Gemeinsam mit ECOFLY investiert VIVATIS in den kommenden Jahren rund fünf Millionen Euro in Zucht- und Mast-Kapazitäten für Insekten sowie entsprechende neue Verarbeitungsanlagen bei der VIVATIS-Tochter TKV Oberösterreich GmbH in Regau (OÖ). Ziel ist es, innovative Futtermittel für eine artgerechte und ökologisch nachhaltige Tierernährung anzubieten und so mit ECOFLY zu einem führenden Partner der europäischen Aquakultur- und Petfood-Industrie zu werden.
Es ist eigentlich ein bizarrer Kreislauf: Fische, die aufgrund ihrer Art oder Größe für den menschlichen Verzehr ungeeignet sind, werden gezielt aus unseren Meeren gefischt, zu Fischmehl verarbeitet und als Futter wiederum an andere Fische verfüttert. Jährlich ist dieses Schicksal rund 20 Millionen Tonnen Wildfisch bestimmt – mit dem Resultat, dass die Überfischung der Meere beschleunigt wird, die Preise für Fischmehl als hochwertiger Proteinträger steigen und die Nachhaltigkeit auf der Strecke bleibt. Diese Entwicklung wollten der Chemiker und Fischzüchter Simon Weinberger und der Elektrotechniker und Bio-Bauer Michael Forster durchbrechen. Deshalb haben sie vor vier Jahren das Unternehmen ECOFLY gegründet und sich auf die Herstellung von Insekten als nachhaltiges Fisch- und Nutztierfutter spezialisiert.
Insekten als ideale Protein- und Nahrungsquelle
Ihr Ansatz: Anstatt Fische mit anderen Fischen zu füttern, sollen mit der „Schwarzen Soldatenfliege“ wieder vermehrt Insekten auf deren Speiseplan kommen. Der große Vorteil dabei ist, dass Insekten nicht nur ein zentraler Bestandteil der natürlichen Ernährung von Fischen und vielen anderen Nutztieren sind, sondern auch einen hohen Proteingehalt aufweisen, sehr gut verdaulich sind und damit die ideale Tiernahrung darstellen. „Die Nutzung von Insekten schafft völlig neue Perspektiven für eine effiziente, nachhaltige Lebensmittelproduktion sowie für eine artgerechte und umweltverträgliche Nutztierhaltung“, betont Forster. „Fische, Hühner und Schweine ernähren sich in freier Wildbahn zu einem beträchtlichen Anteil von Fliegen, Käfern und Würmern. Wir sollten unseren Nutz- und Haustieren ihre natürliche Nahrungsquelle nicht vorenthalten“, ergänzt Weinberger.
„Proteinbombe“ Schwarze Soldatenfliege
Konkret meinen die beiden Unternehmer damit die Larven der "Schwarzen Soldatenfliege" (Hermetia illucens). Sie gilt als „Superfliege“ und hat viele vorteilhafte Eigenschaften für die Zucht und Mast. Als Larve weist sie einen sehr hohen Gehalt an Protein, Vitaminen und hochwertigen Fettsäuren auf und ist eine der großen Hoffnungen der Biotech- und Futtermittelbranche (siehe Infobox). Bei ECOFLY werden die Insektenlarven gut eine Woche lang in Klimaboxen mit Nebenprodukten aus der Agrar- und Lebensmittelindustrie (z.B. Weizenkleie oder Biertrebern) gefüttert. Dann werden die ausgewachsenen Larven zu hochwertigem Proteinmehl für Tierfutter-Erzeuger bzw. Aquakulturen verarbeitet. Als Nebenprodukte fallen Chitin-haltiger Kompost und Larven-Fett an, die als organischer Dünger verwendet werden können. Mehrere hundert Kilo Rohstoff werden pro Woche bereits produziert. Laut den Gründern und VIVATIS gibt es Bedarf für ein Vielfaches davon: Neben Fischen darf die Schwarze Soldatenfliege bereits an Hunde oder Katzen verfüttert werden. Nutztiere wie Geflügel könnten nach gesetzlicher Freigabe in naher Zukunft folgen.
Zahlreiche ökologische Vorteile
Insekten als Proteinquelle für Nutztiere haben gegenüber herkömmlichen Alternativen nicht nur ernährungsphysiologische, sondern vor allem auch entscheidende ökologische Vorteile. Beispielsweise verbrauchen sie nur einen Bruchteil der Land-, Futter- oder Wasserressourcen von konventioneller Viehzucht bei vergleichsweise verschwindend kleinem Ausstoß an Nitraten oder klimaschädlichem CO2. Und sie können im Sinne des Kreislaufwirtschafts-Gedanken gänzlich mit Nebenprodukten aus der Lebensmittel- und Agrar-Produktion ernährt werden. Allein schon aus diesen Gründen gelten Insekten als einer der wesentlichsten Ernährungstrends – und dann ist da noch der weltweit ohnehin stark ansteigende Bedarf an Proteinen.
“Made“ in Austria
Nicht nur Fischmehl, sondern insbesondere auch das häufig als Futtermittel eingesetzte Soja kommt überwiegend aus fernen Regionen wie z.B. Südamerika. Das hat nicht nur den Nachteil langer Transportwege, sondern ist häufig auch verbunden mit Produktionsbedingungen, die eher einem Raubbau gleichen, und dem breiten Einsatz von Gentechnik. Insekten aus heimischer Produktion hingegen genießen höchste Standards in Bezug auf Fütterung und Haltung, was sich letztlich auch in der hohen Produktqualität widerspiegelt. So könnte bald auch in manchem Alaska-Seelachs ein Stück Österreich enthalten sein.
VIVATIS steigt ein
Die VIVATIS-Gruppe beteiligt sich nun mit 45 Prozent an ECOFLY und will die Kapazitäten massiv ausweiten. „Gemeinsam mit ECOFLY werden wir in den kommenden Jahren rund fünf Millionen Euro in Zucht- und Mast-Anlagen investieren“, erklärt VIVATIS-Vorstandsvorsitzender Gerald Hackl. Die TKV Oberösterreich (TKV) wird an ihrem Standort in Regau (OÖ) als exklusiver Partner die Insektenlarven zu hochwertigem Proteinmehl weiterverarbeiten. Dazu wurde bereits eine eigene Verarbeitungslinie in Betrieb genommen. Für die TKV ist es eine perfekte Ergänzung zum bisherigen Produktportfolio: „Wir erzeugen bereits jetzt hochwertige tierische Proteine und Fette, beispielsweise als Rohstoff für Tierfutter oder für die chemische Industrie“, sagt TKV-Geschäftsführer Friedrich Hausberger. Mit Proteinen aus Insekten setze man auf ein absolutes Zukunftsthema.
4.000 Tonnen Larven
In den nächsten anderthalb Jahren soll bei ECOFLY die Produktion schrittweise auf 4.000 Tonnen Larvenfrischmasse hochgefahren und zur Weiterverarbeitung nach Regau transportiert werden. „Die Zusammenarbeit von ECOFLY mit unserer TKV-Gruppe ist eine für beide Seiten überaus vorteilhafte Kombination: Wir unterstützen nicht nur ein tolles Start-Up mit innovativen Köpfen, sondern können auf einen neuartigen Rohstoff mit herausragenden Eigenschaften zurückgreifen. ECOFLY wiederum profitiert von unserer langjährigen Expertise in der Verarbeitung und Vermarktung von Proteinprodukten“, freut sich Hackl. „Unser erklärtes gemeinsames Ziel ist es, mit dem Aufbau des Geschäftsfeldes Insektenproteine zu einem führenden Partner der Aquakultur- und Petfood-Industrie zu werden – in Europa und darüber hinaus. Wir freuen uns sehr auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit.“